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20. Dezember

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Es war einmal ein kleiner Fleck, der in einer dunklen, kalten Höhle wohnte. Dies tat er aber nicht freiwillig, oh nein! Draußen lebten ganz viele Wesen im Licht, die aber nichts mit dem Fleck zu tun haben wollten. „Du bist komisch!“, sagten sie. „Wofür bist du denn zu gebrauchen? Du kannst doch gar nichts.“ Die anderen draußen waren wunderschöne pralle Kugeln, fein geschliffene Rechtecke und spitze gleichschenkelige Dreiecke. „Wir sind absolut perfekte Geschöpfe, in unserer Art einfach atemberaubend. Aber du? Du wabbelst da so komisch vor dich hin und weißt doch selbst nicht, was für eine Form du eigentlich darstellen willst. Verschwinde, wir wollen so jemand unperfekten wie dich hier nicht haben!“

Der Fleck war sehr traurig über die verletzenden Worte und wurde ganz dunkel vor Scham. Je mehr gemeine Worte und Ablehnung er erfuhr, desto mehr passte er sich seiner Höhle an und wurde ganz kalt und schwarz. Durch seine vielen Tränen wurde er ganz weich und flüssig, was ihn seine Form ständig verändern ließ. So lebte er Tag für Tag in seiner dunklen, kalten Höhle, war zornig und traurig, aber vor allem enttäuscht, dass er von niemandem eine Chance bekam. Nur nachts, wenn der Mond strahlte, kam er heraus, setzte sich auf einen großen Felsen und sah in den Himmel. „Die Nacht ist genauso wie mein Leben. Dunkel, still, ohne jegliche Freude. Aber du, lieber Mond, du trotzt all dem! Du bist hell, du strahlst mit Hilfe deiner lieben Freundin, der Sonne. Eines Tages werde auch ich strahlen, das weiß ich ganz genau!“

Die Zeit verging und so auch der Alltag des kleinen Flecks. Tagsüber versteckte er sich in seiner Höhle, nachts kam er heraus und betrachtete den Mond.

Eines nachts aber, er saß wieder einmal auf seinem Felsen, hörte er in der Ferne ein komisches Geräusch. Es klang sehr hoch, wie ein Schrei. Erst wollte der Fleck nicht darauf reagieren, schließlich wurde er aber doch neugierig. Er floss von seinem Felsen herunter und in die Richtung der Schreie. Ein Stück weit entfernt war eine Grube, aus der die Geräusche zu kamen schienen. Vorsichtig blickte der Fleck über den Rand und sah ein kleines Dreieck, das da unten gefangen war. Es weinte verzweifelt und versuchte herauszuklettern, doch vergeblich steckte es seine Ecken immer wieder in die Wände. Durch jeden Versuch wurde es kraftloser und weinte nur noch bitterlicher.

Der Fleck war aufgebracht und wusste nicht, was er machen sollte. „Es geht mich gar nichts an was mit dem Dreieck passiert. Die anderen interessieren sich ja auch nicht für mich!“ Doch so ganz glauben konnte er sich selbst nicht. Immer wieder hörte er das kleine Dreieck aus der Grube schluchzen. Irgendwann beugte er sich zaghaft über den Rand und wisperte leise „Hallo? Äh….was machst du denn da?“. Sofort kam eine Antwort aus der Tiefe: „Hallo? Hallo! Ich bin das kleine Dreieck und war auf der Suche nach dem Bergwesen, doch leider bin ich in diese Grube gefallen! Bitte, kannst du mir hier heraushelfen? Ich schaffe es alleine nicht!“ Der Fleck überlegte. Wie könnte er denn schon helfen? Er konnte doch gar nichts. Nicht mal eine ordentliche Form konnte er behalten! Doch nach einigen Hin und Her wollte er es doch probieren. Er floss ganz nah an den Abgrund und hielt sich dort gut fest. Einen Teil seines Körpers aber ließ er in die Grube hinabfließen, bis er das kleine Dreieck berühren konnte. Er drückte seine Masse auf das verschreckte Ding drauf, woraufhin es kleben blieb und herausgezogen werden konnte. Zitternd und schnaufend kamen beide oben an. Der Fleck versuchte wieder zu seiner normalen, weichen Form zurückzufinden, doch irgendwie gelang es ihm nicht so ganz. Wie eine Art Zacken stand noch immer ein Teil von ihm weg, ganz lang und hart. „Danke, du liebes Ding! Du hast mich gerettet! Ich werde dir ewig dankbar sein!“ Das Dreieck kuschelte sich ganz nah an den Fleck. Plötzlich geschah etwas Seltsames: Durch die liebevolle Berührung begann der Zacken des Flecks auf einmal schwach zu leuchten. Der Fleck erschrak. Was passierte hier? Er hatte aber gar keine Zeit um sich darüber Gedanken zu machen. Das kleine Dreieck hüpfte um ihn herum und rief: „Du bist das Bergwesen, nach dem ich gesuchte habe! Ich habe dich endlich gefunden!“ Der Fleck war verwundert. Wieso sollte jemand gerade nach ihm suchen? „Komm mit!“ meinte das Dreieck nur und ging voran. Der Fleck folgte ihm. Je länger sie gingen, desto schwieriger wurde es für ihn, seine flüssige Form zu wahren. Irgendwie hatte er das Gefühl, immer härter zu werden, bis plötzlich ein zweiter Zacken auf seinem Körper entstand. Auch er schimmerte leicht, genau wie der erste. „Was passiert mit mir?“

Nach einiger Zeit kamen sie zu einer großen, freien Fläche. Der Wind stürmte über den Boden als gäbe es kein Morgen, die Bäume am Rand bogen sich ganz tief nach unten. In der Mitte rollte etwas herum. Es schien etwas zu rufen, doch durch den scharfen, laut heulenden Wind konnten die beiden es anfangs nicht verstehen. Irgendwann drangen die Worte Hilfe und Bitte zu ihnen. Die kleine Kugel versuchte verzweifelt, nicht vom Wind davongeweht zu werden, doch sie schaffte es einfach nicht. Immer wieder wurde sie hin und her geschleudert. Dieses Mal eilte der Fleck sofort zur Hilfe. Mit seinen zwei Zacken bohrte er sich fest in den Boden und drang langsam auf das Feld vor. Der Wind versuchte auch ihn wegzublasen und kämpfte mit aller Kraft gegen den Fleck. Dieser aber stand felsenfest auf seinen Zacken und kam der Kugel immer näher. Langsam bildete er aus seiner Form wieder ein Stück heraus, welches er an die Kugel drückte und sie so festhalten konnte. Gemeinsam konnten sie aus dem Sturm herausfinden und erschöpft fanden sie sich nach einiger Zeit neben dem Dreieck wieder. Auch dieser Zacken blieb in seiner Form, begann zu flackern und zu leuchten. Der Fleck, der nun kein richtiger Fleck mehr war, betrachtete sich mit großen Augen. Drei Zacken hatte er nun und alle drei schienen immer mehr zu leuchten. Die Kugel rollte um ihn herum, überglücklich, dass er sie gerettet hatte und kuschelte sich ganz eng an ihn. Durch die Berührung wuchs ihm noch ein Zacken, genauso lang wie die anderen und auch schwach strahlend. Die Kugel und das Dreieck waren sich sofort einig: der Fleck musste mit ihnen in die Stadt kommen. Sie rollten und gingen voran, der nicht mehr fleckige Fleck folgte ihnen. Alles schien wie ein Traum für ihn zu sein, die Zacken fühlten sich ungewohnt an, aber gleichzeitig strahlten sie etwas Angenehmes aus. Der Fleck hatte ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Was fühlte er da? Zorn? Angst? Scham? Nein. Es war etwas völlig Neues.

Gemeinsam wanderten die drei weiter, bis sie in die Stadt kamen. Der Fleck war sehr schüchtern, war das doch genau der Ort, aus dem er vor langer Zeit vertrieben worden war. Sie kamen zur Ortsmitte, wo viele andere Formen auf sie warteten. Als sie die drei sahen, jubelten sie ganz laut: „Hurra! Ihr habt ihn gefunden! Nun sind wir endlich alle zusammen und können feiern!“ Feiern? Dachte der Fleck. Und wieso gefunden? Wer sollte schon nach mir suchen?

Ein altes Rechteck kam auf ihn zu. Mit tiefer Stimme sagte es: „Du lieber Stern, wie schön dass wir dich endlich bei uns haben. Weihnachten ist nicht mehr wie es war, seitdem du gegangen bist. Wir waren so gemein zu dir, dabei bist du uns so wichtig! Bitte verzeih uns und feiere mit uns gemeinsam dieses Fest der Wärme und Geborgenheit.“ „Stern? Was redest du da, du altes Rechteck? Ich bin doch kein Stern! Ich bin nur ein dunkler Fleck, der zu nichts nütze ist.“ „Nein mein Lieber, das stimmt nicht! Du bist wertvoll und perfekt, genauso wie du bist. Du warst immer schon Teil unserer Gemeinschaft und wir lieben dich!“ „Aber wie soll ich ein Stern sein? Ich habe keine richtigen Zacken und leuchte auch nicht. Ich bin sicher kein Stern.“ Traurig blickte der Fleck zu Boden.

Mit einem Mal setzten sich alle Formen in Bewegung. Sie kamen ganz nah an den Fleck herum, allen voran das kleine Dreieck und die Kugel. Sie alle kuschelten sich ganz eng an den Fleck heran, riefen ihm alle zu wie dankbar sie wären, dass er bei ihnen wäre und wie sehr sie ihn alle vermisst hätten. Plötzlich geschah etwas Wunderbares: der Fleck konnte seinen unförmigen Körper nicht mehr kontrollieren, alles wabberte und wackelte. Die vier Zacken wurden länger und kürzer, veränderten immer wieder ihre Position. Auf einmal kam ein fünfter Zacken an die Oberfläche und mit einem lauten Knall leuchtete der Fleck, der nun kein Fleck mehr war, ganz hell. Er strahlte heller als der Mond, schimmerte und glitzerte wie noch nie zuvor in seinem Leben. „Siehst du?, sagte das Dreieck, „du warst immer schon unser wunderschöner Stern. Wir haben es nur leider viel zu spät erst erkannt. Nun bist du wieder dort, wo du hingehörst und wir sind vereint. Du bist perfekt, genauso wie du bist.“

Und von da an blieb der Stern in der Stadt, wo er jedes Jahr zur kalten Jahreszeit auf den schönsten Baum kletterte um von dort aus alle zu grüßen und anzustrahlen. Er strahlte Tag und Nacht für seine Freunde und merkte, dass er endlich zu Hause war.

Die Geschichte wurde von der Gruppe Stockerau zur Verfügung gestellt.